Michael Deistler
*1949
A.R.E. 1980/81
Michael Deistler erhielt 1980 ein DAAD-Stipendium. Es ging nicht nach New York oder Rom, sondern ein Jahr nach Ägypten. Dort setzte er seine schon in Deutschland begonnenen Zeichnungen fort. Einfache DIN-A4-Papiere und Kugelschreiber sind sein Material.
Auf seinen Reisen durch das nordafrikanische Land entdeckt Deistler alte Kasernen, die noch Spuren der deutschen Wehrmacht aufweisen, samt zahlreichen Hakenkreuzornamenten. Die Swastika-Figur verarbeitet er, fast schon manisch, zu immer neuen Mustern, kombiniert die Strukturen mit provozierenden Sätzen. Die Muster und Schriftbilder erinnern an Mosaike, Teppiche oder die Ästhetik des Teletextes. Und er schreckt auch nicht vor Parolen aus dem Wortschatz des Dritten Reiches zurück: „Arbeit macht frei“ und „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“. Das schockierende Symbol wird vom Künstler demonstrativ affirmiert. Mithilfe der Überstrapazierung arbeitet der Künstler gegen eine Tabuisierung der NS-Ideologie durch reine Verdrängung und Verbote an. Die Mitteilungen an den Betrachtenden sind nicht reine Provokation, sondern eine Herausforderung. Sie stellen Fragen nach den eigenen Werten, Grenzen und Tabuvorstellungen. Der Künstler fordert Widerspruch heraus. Die Arbeit besticht durch ihre geschickte Kombination von privaten Enthüllungen und politischer Agitation.
Die Aggression der Statements steht in Kontrast zur Ornamenthaftigkeit; das Fiktive überlagert sich mit persönlichen und privaten Offenbarungen. Insbesondere die eingearbeiteten Fotos zeigen sowohl den Künstler als auch verschiedene Frauen aus seinem Bekanntenkreis. Deistler vermeidet jegliche Form von falscher Harmonisierung, sowohl beim konstruktiven Aufbau der Blätter als auch bei der Entwicklung der Inhalte. Die Arbeiten sind widerständig und bedingungslos.