Joseph Beuys

1921 in Krefeld – 1986 in Düsseldorf

Kukei, Akopee – Nein!, BRAUNKREUZ – FETTECKEN – MODELLFETTECKEN

Festival der Neuen Kunst, TH Aachen 20. Juli 1964, Rekonstruktion einer Aktion

Im Zentrum der künstlerischen Arbeit von Joseph Beuys stehen die Aktionen. Er kombiniert hier alle Gattungen und Medien: Objekte, Sprache, Geräusch, Handlung. Eine besondere Aktion fand am 20. Juli 1964 im Aachener Audimax statt. Der Ort des Geschehens war mit rund 800 neugierigen Studentinnen und Studenten bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Idee zum Festival der Neuen Kunst hatte der Kulturreferent des AStA, Valdis Āboliņš. Zusammen mit dem Kölner Künstler Tomas Schmit wurden, neben Joseph Beuys, die damals teilweise schon recht bekannten, international agierenden Fluxus-Künstler Eric Andersen, Bazon Brock, Stanley Brouwn, Henning Christiansen, Robert Filliou, Ludwig Gosewitz, Arthur Koepcke, Wolf Vostell und Emmett Williams in die Kaiserstadt eingeladen. Bei der Gestaltung des Abends wurde den Protagonisten völlige Freiheit in der Umsetzung ihrer Beiträge zugesichert.

Kultur spielte an der Aachener Hochschule bis dato eine untergeordnete Rolle. „Fluxus“ als internationale Kunstbewegung war ein Phänomen, das den Ingenieurstudent*innen sehr fremd war. Die politisch motivierten Vorträge und Aktionen, welche sich teilweise auf das historisch relevante Datum des 20. Juli 1944 bezogen (insbesondere die Beiträge von Bazon Brock, der die Sportpalastrede von Joseph Goebbels zitierte, und Wolf Vostell, der eine Hinrichtungsszene nachstellen ließ), empörten die anwesenden Jungakademiker*innen im Saal. Das Unverständnis gegenüber den künstlerischen Darbietungen führte dazu, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die Zuschauer*innen aus den vorderen Reihen die Bühne stürmten. Im allgemeinen Tumult schlug ein Student Joseph Beuys ins Gesicht, der sich dann mit blutender Nase dem buhenden Publikum präsentierte. Kurze Zeit später musste die Veranstaltung abgebrochen werden. Es folgten Strafanzeigen gegen die Veranstaltenden und Künstler des Abends vonseiten des Arbeitskreises 20. Juli 1944 wegen groben Unfugs und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener – doch das Verfahren wurde später eingestellt. Bei den Lehrenden und bei einem Großteil der Studierenden kamen die künstlerischen Interventionen nicht gut an, viele äußerten sich kritisch-konservativ. Die Aktion von Joseph Beuys an diesem Abend ist in der Forschung am häufigsten beschrieben worden. Die Darbietung bestand aus mehreren verschlüsselten Szenen, die viel Raum für Interpretationen lassen. Ursprünglich wollte Beuys am Klavier ein Stück von Erik Satie spielen, doch überliefert ist, dass er zunächst OMO-Waschpulver, dann Papierschnitzel, Zigarettenschachteln, verschiedene Gewürze und eine Postkarte des Aachener Doms in das Musikinstrument warf. Anschließend versetzte er den Klavierkörper mit einem Elektrobohrer in Schwingungen. Laut Bazon Brock sei es Beuys dabei nicht um Zerstörung gegangen, sondern um eine neue Form der Lauterzeugung. Hier, wie bei allen nachfolgenden Aktionen, stand für den Künstler Joseph Beuys stets die Transformation im Mittelpunkt, wie sie sich beispielsweise bei der Erhitzung von Fett auf einer Herdplatte vollzieht. Schon bei dieser frühen Performance ging es um Energieprozesse, wozu für Beuys auch die gewalttätige Reaktion des Publikums als ein Akt der Entladung gehörte.

MK