Die Tödliche Doris
gegründet 1980
Hommage an Allen Jones
The Kitchen, New York
Die Tödliche Doris nannte sich eine Punkgruppe, die von 1980 bis 1987 bestand. Die Mitglieder waren Musiker*innen, Fotograf*innen, Filmemacher*innen, Modedesigner*innen, Maler*innen, Schriftsteller*innen, Performer*innen – kurzum: multimedial agierende Grenzüberschreiter*innen! Eine feste Besetzung gab es nicht. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten die Kunststudenten Wolfgang Müller und Nikolaus Utermöhlen.
Im Jahr 1984 traten sie gemeinsam mit Tabea Blumenschein und Käthe Kruse im Club The Kitchen in New York auf. Unter den Stücken an diesem Abend war die Hommage an Allen Jones. Der britische Pop-Art-Künstler hatte 1969 ein weibliches Figurenensemble geschaffen, welches er Hatstand, Table and Chair nannte. Es handelt sich dabei um drei nackte Frauenfiguren, die, nur bekleidet mit Lederkorsagen, langen Handschuhen und Fetischstiefeln, transformiert werden in Möbelstücke. Allen Jones bezeichnete das Ensemble als eine „psychologische Konstruktion“, dennoch wurde er von vielen zeitgenössischen Medien wegen der sexistischen Darstellungsweise heftig kritisiert.
Die weiblichen Mitglieder der Tödlichen Doris drehen in ihrer Performance nun den Spieß um. Tabea Blumenschein und Käthe Kruse nehmen Platz auf den knienden männlichen Mitgliedern der Gruppe. Es findet eine Umkehrung statt: Die Geschlechterrollen wechseln, die dienende Funktion bleibt erhalten.
Die New Yorker Aktion kann als Ausdruck und Akt eines frühen kreativen Queer-Feminismus gelesen werden. Normative Vorstellungen von binären Geschlechtermodellen sowie einer von Männern dominierten Kunstwelt werden konterkariert: Die vermeintliche sexuelle Befreiung der 1960er-Jahre, beruhend auf heterosexuellen Männerfantasien, hat ausgedient. Die Tödliche Doris formuliert einen Gegenentwurf zum Ensemble von Allen Jones, orientiert sich an einer fluiden und offenen Performativität. Das künstlerische Kollektiv hinterfragt gekonnt die alten sexuellen Rollen in der Kunst und im Kunstbetrieb. Es ging der Tödlichen Doris um Dekonstruktion der tradierten (Pop-)Musik und ihrer Konventionen und um eine Aufhebung der Geschlechteridentitäten: Musikalische Performance als kreatives Experiment dient der Hinterfragung überkommener Klischees.