Cornelia Schleime

*1953 in Berlin

Das Puttennest

Cornelia Schleime, Das Puttennest, 1984, film still, Archiv »ex.oriente.lux« Claus Löser

Cornelia Schleime schloss sich schon während ihres Studiums an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden (1975-1980) einer subversiven Kunstszene an, die sich der Doktrin des sozialistischen Realismus in der DDR widersetzte. Die überaus vielseitige Künstlerin trat als Malerin, Autorin, Filmemacherin und Musikerin auf, gründete unter anderem die Punkband Zwitschermaschine. 1981 mit einem Berufsverbot belegt, stellte sie in der Folge mehrere Ausreiseanträge. Mit der 1984 überraschend erteilten Genehmigung sah sich Schleime schließlich gezwungen, die DDR innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Fast ihr gesamtes malerisches Œuvre blieb zurück. Nur vier, zwischen 1982 und 1984 entstandene Super-8-Filme konnten gerettet werden – filmische Dokumente, die umso bedeutender sind, da sich dort zahlreiche Motive der verlorenen Gemälde ihres Frühwerks wiederfinden.

Das Puttennest drehte Schleime 1984 in Sanssouci bei Potsdam, an der Ostsee und an einem Baggersee bei Erfurt. Getragen von dem verlangsamt abgespielten Satie-Werk, Gymnopédie No. 1, betont das teilweise fleckige, leicht schadhafte Super-8-Material die melancholische Grundstimmung des Films. Er zeigt einen Garten voller teilweise zerschlagener Putten und anderer Steinfiguren in der Nähe des Schlosses Sanssouci. Sie haben ausgedient als Architekturschmuck. Zwei junge Männer, ganz in Schwarz gekleidet und mit Stachelhaaren und Springerstiefeln als Punks zu erkennen, spazieren am Ostseestrand entlang oder sitzen an einem Baggersee inmitten einer zerklüfteten und ausgebeuteten Industrielandschaft. Langsame und lange Einstellungen und die Wiederholung der Szenen vermitteln eine trügerische Ruhe. Die Stimmung ist poetisch und verstörend zugleich. In kurzen Einstellungen wird eine gesichtslose, anonyme blonde Frau gezeigt. Die beiden männlichen Protagonisten wirken verloren, zwischen ihnen herrscht Schweigen. Verschiedene Zeichnungen und Gemälde von Frauenköpfen und -körpern erscheinen wie Traumsequenzen. Die filmische Erzählung mündet unvermittelt in einen Mord, doppelt ausgeführt mit einem zerbrochenen Bilderrahmen und mit einem Gitarrenkoffer – ein plötzlicher Gewaltausbruch, der auch als Aufbegehren gegen die Repressalien eines maroden Staates gelesen werden kann.

MK